Europäischer Quantencomputer kommt nach Bayern

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Quantencomputing für die breite Nutzung: Das Leibniz-Rechenzentrum der BAdW überzeugt mit Projekt „Euro-Q-Exa“ Geldgeber in Bayern, Bund und Europa und setzt dabei auf Quantenprozessoren als Beschleuniger von Supercomputern.

Bayern macht Zukunft. Das Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) der Bayerischen Akademie der Wissenschaften wird ein europäischer Quantencomputer-Standort der Spitzenklasse und integriert diesen in einen klassischen Höchstleistungs-rechner. Das beschloss das Governing Board der European High Per-formance Computing Joint Undertaking (EuroHPC JU) bei seiner Sitzung am 3. und 4. Oktober 2022 in Luxemburg. Als eines der drei nationalen Höchst-leistungsrechenzentren des Gauss Centre for Supercomputing (GCS) hatte sich das LRZ bei der europäischen Ausschreibung beworben und die Geldgeber überzeugt. Die Idee des Projekts „European Quantum Computing for Exascale-HPC“, kurz Euro-Q-Exa: Quantenprozessoren ins Supercomputing zu integrieren und auf diese Weise die neue Computer-Technologie besser steuerbar sowie für Anwenderinnen und Anwender nutzbar zu machen.

Mit Europas Quantencomputer wird in Bayern ein breites Spektrum von Anwendungsszenarien für unterschiedlichste Forschungsdisziplinen sowie für Wirtschaft und Gesellschaft erforscht werden. Finanziert wird das Vorhaben durch Mittel der EuroHPC JU, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sowie der Hightech Agenda des Freistaats Bayern.

Partnerschaften und Synergien nutzen für den Aufbau

Quantencomputing als Technologie setzt aktuell dazu an, aus dem Experimentierstadium in die Breite der Anwendungen zu gehen. Rechenzentren in aller Welt, darunter das LRZ, testen bereits die ersten Quantenprozessoren und machen sie ihren Nutzerinnen und Nutzern zugänglich. Für den breiten Einsatz fehlen aber noch Betriebssysteme, Entwicklungsumgebungen, Software und Tools zur Steuerung von Quantum Processing Units (QPU) sowie zur Opti-mierung und Kontrolle ihrer Rechenleistungen. Zum Aufbau des Quantencomputers forderte Europa ein hybrides System, in dem Quantenprozessoren in Supercomputer integriert werden, diese beschleunigen aber zugleich durch sie angesteuert werden können. Das LRZ kann dabei schon auf praktische Erfahrung sowie auf Ergebnisse und Synergien bauen, die sein Quantum Integration Centre (QIC) mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft in diversen For-schungsprojekten erarbeitet.

In einer Innovationspartnerschaft mit Hardware-Anbietern entwickelt und modifiziert Bayerns führendes akademisches Rechenzentrum außerdem gerade die Technologie für einen innovativen Höchstleistungsrechner, der mehr als eine Trillion Rechenoperationen pro Sekunde (Exascale: 1018) schafft. Darin sollen zukünftige Quantenprozessoren ihren Dienst tun. 

Schrittweise zum europäischen Quantencomputer

Das Euro-Q-Exa-System wird in zwei Schritten realisiert. Bereits 2023 wird das LRZ den vom BMBF finanzierten Quantendemonstrator Q-Exa für euro-päische Nutzerinnen und Nutzer zur Verfügung stellen. Über ein Ausschrei-bungsverfahren kommt dann in weiteren Schritten bis 2026 ein 100-Qubit-System hinzu. 

Noch ist allerdings unsicher, wo das neue Quantencomputing seine Vorteile am besten ausspielen kann. Die gewünschte Leistungssteigerung der neuen Prozessoren weckt jedenfalls schon Hoffnungen in der Materialwirtschaft, in der (Molekular-)Chemie und Biologie, auch bei der Überprüfung von Software und IT-Sicherheitsmaßnahmen oder bei Optimierungsproblemen – in Forschungsdisziplinen also mit bislang unlösbaren Fragen.

Stimmen zur Entscheidung

„Ein großartiger Erfolg im harten internationalen Wettbewerb: die Bestätigung einer ausgereiften Forschungsstrategie und der Auftrag, auch künftig als Schrittmacher der Wissenschaft zu dienen.“ – Thomas O. Höllmann, Präsident der BAdW

„Wir freuen uns über die Entscheidung der EuroHPC-JU, nicht nur für das LRZ, sondern auch für den Standort München und das Munich Quantum Valley (MQV). Das ist ein großer Vertrauensbeweis in unsere bisherigen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, die wir nun konsequent in ein System für die Anwenderinnen und Anwender überführen werden. Das LRZ und sein Team für Quantencomputing und Quantentechnologien sind hochmotiviert, zusammen mit Kooperationspartnern den europäischen, deutschen und bayerischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vielseitige Quantencomputing-Ressourcen zugänglich zu machen – robust, komfortabel und skalierbar.“ – Dieter Kranzlmüller, Leiter des LRZ

„Die Anforderungen und Pläne der EuroHPC-JU passen genau zu unserer Strategie am LRZ, bei der wir das Quantenrechnen als integrierten Teil des Hochleistungsrechnens sehen: Quantenrechner können nur in enger Kopplung mit Supercomputern ihre Stärke ausspielen. Wir haben ein entsprechendes Konzept bereits für die bisher geplanten Systeme am LRZ erarbeitet. Mit Euro-Q-Exa gehen wir noch einen Schritt weiter und integrieren den Quanten-Softwarestack in die HPC-Knoten. Das wird Latenzen extrem verkürzen und die Flexibilität und die Effizienz beim Einsatz von Quantencomputing optimieren.“ – Martin Schulz, Mitglied des Direktoriums des LRZ und Professor für Informatik an der Technischen Universität München (TUM)

„In mehreren vom Bund sowie über die bayerische Hightech Agenda im Rahmen des Munich Quantum Valley finanzierten Forschungsprojekten arbeiten wir seit über einem Jahr im QIC an der Integration von Quantenbeschleunigern ins Supercomputing. Unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen mit Partnern mögliche Betriebs- und Softwareumgebungen für solch hybride Systeme, sie entwickeln Anwendungsszenarien und testen erste Algorithmen für hybride Anwendungen.“ – ­ Laura Schulz, Leitung Abteilung Quantum Computing und -Technologien am LRZ