„Wir wollen das LRZ in der Seismologie- und Geophysik-Community bekannter machen“

Tectonic

Satellitendaten machen tektonische Plattenverschiebungen bei Ordu in der Türkei sichtbar, in der grünen Zone treffen die Platten aufeinander. Grafik: SAR4Tectonic/DLR

Knapp 10 Prozent der Forschungsprojekte, für die an den High Performance Computern (HPC) des Leibniz-Rechenzentrums (LRZ) gerechnet wird, gehören zur Geophysik und Seismologie. Doch es sollen mehr werden: Deshalb fördert das LRZ als Sponsor die Jahresversammlung der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft (DGG) vom 7. bis 10. März 2022. Hier tauschen Geophysiker:innen Erfahrungen und Erkenntnisse aus, diskutieren Entwicklungen, aber auch neue Technologien. Sie können dabei auch das Rechenzentrum mit Sitz in Garching, seine Dienstleistungen sowie Simulationen und Visualisierungen online kennenlernen. Im Mittelpunkt steht dabei das Mentoring-Programm für Arbeitsgruppen, die mit den High Performance Computern (HPC) arbeiten wollen. „Im CXS-Lab finden Forschende Expert:innen verschiedener Wissenschaftsdisziplinen“, erklärt der promovierte Geophysiker André Kurzmann. „Generell kommen bei etwa der Hälfte aller HPC-Projekte Fragen zu Software, Codes und großen Datensätzen auf. Jedes Projekt bekommt daher seine:n Ansprechpartner:in.“ Noch unterstützt das LRZ die Geophysik vor allem bei Modellierung und Berechnungen, doch auch die Methoden der Künstlichen Intelligenz dürften bald gefragt sein, meint Kurzmann im Interview

Wozu braucht die Geophysik Supercomputing? Was rechnet sie auf den HPC-Ressourcen des LRZ? Dr. André Kurzmann: Die Geophysik und Seismologie gehören klassischerweise zu den Pionieren im Supercomputing, denn hier werden schon seit Jahrzehnten unterschiedlichste Daten etwa zur Erdgeschichte, zur Beschaffenheit der Erdkruste, zu Erdbeben und Tsunamis oder von Satelliten verarbeitet und daraus immer größere Modelle berechnet. Inzwischen bilden diese die komplexe Physik der Erde in immer mehr Details ab. Die dazu notwendigen Berechnungen dauern sogar an Supercomputern tagelang. Inzwischen sind die Simulationen räumlich, und die dazu notwendigen Berechnungen dauern sogar an Supercomputern tagelang. Prof. Dr. Hans-Peter Bunge von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) hat mit seinem Team über viele Jahre hinweg die Entwicklung der Kontinente immer neu simuliert, heute ist das Modell dreidimensional und in höchster Auflösung. Mit Hilfe von SuperMUC-NG konnte Prof. Dr. Alice Gabriel von der LMU mit ihrer Arbeitsgruppe klären, warum der Tsunami, der dem Erdbeben im indonesischen Palu folgte, so überaus stark war. Und nicht zuletzt betreibt das LRZ zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) terrabyte, über diese Hochleistungs-Plattform für Datenanalyse sollen Fernerkundungsdaten sofort an unseren Supercomputern ausgewertet werden.

Setzt die Geophysik bereits auf Verfahren der Künstlichen Intelligenz, die ja ebenfalls Rechenkraft brauchen? Kurzmann: Noch liegt der Schwerpunkt der Geophysik-Projekte am LRZ auf Berechnungen und Simulation, aber maschinelles und tiefes Lernen oder Mustererkennungen sind im Bereich Tomografie interessant, wenn beispielsweise geologische Schichten mit Radiowellen untersucht und visualisiert werden. Auch die Erforschung von Erdbebenwellen oder Fernerkundungsdaten bringt Künstliche Intelligenz voran.

Das CXS-Lab am LRZ unterstützt Forschende der Geophysik mit einem Mentoring-Programm. Warum? Kurzmann: Rechenzeiten und Supercomputing sind wertvoll, wir wollen sie effizient nutzen und daher unterstützen wir Forschungsteams. Im CXS-Lab finden sie Expert:innen verschiedener Wissenschaftsdisziplinen. Generell kommen bei etwa der Hälfte aller HPC-Projekte Fragen zu Software, Codes und großen Datensätzen auf. Jedes Projekt bekommt seine:n Ansprechpartner:in. Mentor:innen kümmern sich um technischen Probleme, etwa bei der Implementierung von Anwendungen oder wenn der Speicherbedarf steigt. Und sie forcieren durch ihre Fragen nach dem aktuellen Stand eines Projektes oft die Computing-Arbeiten. Das Programm kommt bei den Forschenden sehr gut an.

Wo brauchen Geophysiker:innen besonders oft Hilfe? Kurzmann: Geophysiker:innen gehören zu den Do-it-Yourself-Forschenden, die ihre Software und Algorithmen selbst entwickeln. Meist brauchen sie Hilfe bei konkreten Problemen, etwa der Portierung ihres Codes auf den Supercomputer oder bei der Optimierung ihrer Algorithmen, wenn die Auslastung Tausender von Rechenkernen nicht funktioniert.

Du bist selbst Geophysiker – welche Projekte machen dir als Mentor besonders Spaß? Kurzmann: Die Projekte, bei denen ich beraten und praktisch unterstützen und vielleicht sogar ein Projekt weiterbringen kann. Manchmal geraten Projekte in Einbahnstraßen, wenn ich dazu beitragen kann, Forschungsfragen in eine neue Richtung zu lenken, macht mich das froh. An der Schnittstelle von mittelgroßen und großen, den so genannten Large-Scale-Projekten gibt es ebenfalls oft Beratungsbedarf in Sachen Antragstellung oder Technik. Auch dabei kann ich meine Erfahrungen einbringen und Projekte forcieren.

Das LRZ präsentiert sich auf der Jahresversammlung der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft: Was stellt ihr vor und warum? Kurzmann: Wir wollen das LRZ in der Seismologie- und Geophysik-Community bekannter machen, präsentieren dafür online auf einer speziellen Website den SuperMUC-NG und die HPC-Ressourcen, unsere Dienstleistungen sowie erfolgreiche Arbeiten. Außerdem zeigen wir, wie Forschende ihre Projekte in den Mozilla Hubs vorstellen können. Dort ist übrigens schon die eingangs erwähnte Simulation von Professor Bunge zu sehen. (Interview: vs)

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Dr. André Kurzmann, Geophysiker und Mitarbeiter des CXS-Lab am LRZ