Ausgezeichnet visualisiert

Während der internationalen Fachkonferenz „Supercomputing 21“ erreichte Elisabeth Mayer und ihr Kollege Salvatore Cielo vom Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) zusammen mit Forschungspartnern vom University Collge London und Intel, das Finale der sechs weltbesten, wissenschaftlichen Visualisierungen. Mit den dreidimensionalen Bildern zum Blutfluss im Unterarm des Menschen könnten Ärzt:innen Operationen und Behandlungen vorausplanen oder Körperfunktionen besser verstehen.

Die in Grau dargestellten Arterien versorgen den Arm bis zu den Fingerspitzen mit frischem Blut, durch die bunten Venen fließt das sauerstoffarme Blut zurück in Richtung Herz: Wer will, kann sich dieses Geschehen aus unterschiedlichsten Perspektiven anschauen und regelrecht eintauchen in das Adergeflecht, das sich im menschlichen Unterarm findet. Mit diesen Bildern erreichten die Spezialist:innen des Leibniz-Rechenzentrums (LRZ) in Garching das Finale im Wettbewerb um die sechs besten wissenschaftlichen Visualisierungen während der Supercomputing-Fachmesse SC21 in St. Louis/USA: „Das ist ein toller Erfolg und bestätigt die Bemühungen des Teams und unserer Forschungspartner:innen“, freut sich Elisabeth Mayer, Mitarbeiterin im Zentrum für Virtuelle Realität und Visualisierung (V2C) des LRZ, die die Visualisierung federführend betreute. „Die Herausforderung bei solchen Arbeiten ist, die dazu notwendigen Daten zu berechnen und danach zu visualisieren, dabei entstehen größte Datenvolumen, die nur ein Supercomputer verarbeiten kann.“

Körperfunktionen sichtbar machen

Seit knapp zehn Jahren setzt das V2C am LRZ Forschungsergebnisse in beeindruckende Bilder um und veranschaulicht dabei nicht nur Körperteile und Organe, sondern auch barocke Deckenmalereien oder Hochwasser- und andere Umweltszenarien. Die Arbeit zum Blutfluss entstand im Rahmen des internationalen Forschungsprojektes CompBioMed, für das rund 20 Universitäten, Forschungsinstitute und Supercomputing-Zentren unter der Leitung des Mediziners und Informatikers Prof. Dr. Peter Coveney vom University College London (UCL) seit 2016 Technologien für die Digitalisierung von Medizin und Pharmazie entwickeln. Mittelpunkt ist der Aufbau eines „Virtual Human“, ein digitaler Zwilling des Menschen. Diesem Ziel ist das Exzellenzzentrum und Wissenschaftskonsortium mit der ausgezeichneten Visualisierung einen großen Schritt nähergekommen. „Aus dem V2C haben wir schon einige spektakuläre Arbeiten und Virtual Reality-Anwendungen gesehen“, sagt Prof. Dr. Dieter Kranzlmüller, Leiter des LRZ. „Deshalb gratuliere ich dem Team um Elisabeth Mayer für diesen bedeutenden Preis, der einmal mehr die hohe Qualität unserer Dienstleistungen für Wissenschaft und Forschung zeigt.“

Die Grundlage für die Innenansicht des Unterarms liefert ein offener Lattice-Boltzmann-Algorithmus namens HemeLB, der von CompBioMed entwickelt wurde und aus Messwerten sowie Bilddaten den Blutfluss in Adern dreidimensional modelliert. Für den Unterarm berechnete HemeLB zunächst für mehr als 230 Millionen Datenpunkte und 64 Zeiteinheiten, mit welchem Druck das Blut während eines Herzschlags durch die Arterien und Venen gepumpt wird. Pro Rechenschritt entstanden rund 7 Gigabyte, insgesamt rund 470 Gigabyte an Informationen. Diese Werte wurden mit dem quelloffenen Grafikprogramm OSPRay aus dem Intel oneAPI Rendering Toolkit verarbeitet. Daten von einem Programm ins nächste zu heben, das funktioniert schon am Notebook nicht immer reibungslos, beim Supercomputing ist es meistens eine Herausforderung. So entstanden neben der Visualisierung diverse Tools, Plug-ins und Workflows, mit denen der Blutfluss jetzt deutlich einfacher und schneller auch in anderen Organen und Körperteilen dargestellt werden kann. In Zusammenarbeit mit den Forschenden von CompBioMed arbeitet das LRZ-Team bereits am Circulus Arterius Cerebri, einem Gefäßring, der das Gehirn mit Blut versorgt. Statt wie beim Unterarm 7 fallen dabei pro Zeitschritt mehr als 1500 Gigabyte Daten an.

Medien zum Lernen und zum Testen von Operationen

„Ein Vorteil unseres Workflows ist, dass daraus beliebige Bilder und Medien entstehen und exportiert werden können“, sagt Visualisierungsspezialistin Mayer. „Alles ist möglich – eine Grafik, ein kurzer Videoclip, sogar ein Kinofilm könnte daraus gemacht werden oder eine dreidimensionale Anwendung für Virtuelle Realität.“ Damit könnten Ärzt:innen in Körperteile wie den Unterarm abtauchen, dort Funktionen besser begreifen und verstehen lernen. Werden die Modelle und Visualisierungen außerdem mit individuellen Patienten-Daten berechnet, ließen sich in Zukunft Behandlungsmethoden und Operationen vorausplanen oder sogar vorab ausprobieren. Ein Meilenstein für die Medizin, den die Juroren der SC21 als besten SC Scientific Visualization & Data Analytics Showcase auszeichneten.

 

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