„Gemeinsam noch mehr bewegen“

Energieeffizienz beim Supercomputing, neue Architekturen und Codes für das Hoch- und Höchstleistungsrechnen, vor allem wachsende Bedürfnisse von Wissenschaft und Forschung: Das Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) will und kann nicht alle Fragen seiner Zukunft allein lösen und lässt sich daher von einem Beirat beraten. Neu in dieses Gremium wurden Prof. Dr Gerhard Wellein von der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen sowie Prof. Dr. Stefan Dech, Direktor des Deutschen Fernerkundungsdatenzentrums (DFD) am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt gewählt. Der Beirat zählt mit ihnen 28 Mitglieder, darunter Vertreter:innen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (BADW) sowie von Münchner und bayerischen Universitäten.

Der Physiker Wellein bereichert schon seit mehr als 20 Jahren die HPC-Community mit seiner Erfahrung, Wissen und praktischen Codes. Der mehrfach ausgezeichnete Wissenschaftler lehrt in Erlangen High Performance Computing (HPC), ist international bestens vernetzt, engagiert sich bei der Partnership for Advanced Computing in Europe (PRACE) sowie im Bayerischen Kompetenznetzwerk für wissenschaftliches Hochleistungsrechnen KONWIHR. Ein weites, internationales Netzwerk hat auch der Geograf Dech zu bieten. Beim DFD forscht er in Fernerkundungsdaten nach Hinweisen zu Klimawandel und Umweltveränderungen, außerdem beschäftigt er sich mit den Methoden und Systemen, Satellitendaten auszuwerten. Zusammen mit dem LRZ hat das DLR die Plattform terrabyte für die Hochleistungs-Datenanalyse von Daten zur Erdentwicklung erarbeitet. Im Interview stellen sich die beiden neu gewählten LRZ-Beiräte vor:

Was möchten Sie als Beirat am LRZ bewegen?

Prof. Dr. Gerhard Wellein: Das LRZ und viele seiner Mitarbeitenden im Höchstleistungsrechnen kenne ich seit vielen Jahren. Ihre Kompetenz und ihr hohes Engagement habe ich sehr schätzen gelernt. Nicht umsonst spielt das LRZ im Bereich des Höchstleistungsrechnen in Europa eine führende Rolle. Gleichzeitig sieht es sich als Technologietreiber wie aktuell im Bereich der Cloud-Techniken, des Quantencomputing oder der KI. In Bayern gibt es viele ähnliche oder komplementäre Aktivitäten bei neuen Rechen- und Simulationstechnologien, gleichzeitig wächst der Bedarf an Rechenleistung und kompetenter IT-Versorgung in vielen wissenschaftlichen Bereichen. Für viele Disziplinen wird eine enge Kooperation mit IT- oder HPC-Zentren die Grundlage des Forschungserfolges sein. Die gute Vernetzung des LRZ mit den bayerischen Hochschulen und Wissenschaftler:innen möchte ich nicht nur weiter unterstützen, sondern im Zeichen der vielen technologischen und wissenschaftlichen Herausforderungen verstärken.

Prof. Dr. Stefan Dech: Ich komme ja aus der Erdbeobachtungsforschung und kann tagtäglich beobachten, in welch mega-schnellen Wandel sich die Erde befindet. Das LRZ kann eine Schlüsselrolle einnehmen für die Klima- und Umweltforschung, wenn es gelingt, den gewaltigen und rapide wachsenden Schatz an Satellitendaten für die internationale Forschung zu heben. Das mit anzutreiben – darin sehe ich einen zentralen Teil meiner Aufgabe als Beirat. Wichtig wird dafür, das LRZ mit den Möglichkeiten der europäischen und nationalen Satelliten-Programme zu vernetzen, etwa mit dem Copernicus-Programm von EU und ESA. Eine IT-Infrastruktur muss entstehen, die für Forscherinnen und Forscher sicher, verlässlich und unabhängig von kommerziellen Interessen genutzt werden kann.










Mit wem aus der Beiratsrunde werden Sie dafür intensiv netzwerken?

Wellein: Ich freue mich darauf, in der fachlich breit aufgestellten Beiratsrunde neue interessante Forschungsfragen kennenzulernen, die von der enormen Dynamik im Bereich der IT profitieren können, aber auch für uns IT- und HPC-Spezialist:innen neue Horizonte aufzeigen.                                                               

Dech: Fernerkundung ist hoch interdisziplinär, von daher sind für mich alle Kontakte im LRZ-Beirat interessant. Besonders spannend wird es dort, wo es um Big Data-Technologien sowie die Verbindung von Informatik und Geowissenschaften geht. Eine Vision ist, einen digitalen Zwilling der Erde nachzubilden, um zu simulieren, wie sich Klima- und andere Geo-Einflüsse auf den Menschen auswirken. Mit Verfahren der AI können wir Zusammenhänge verstehen, von denen wir vor Jahren nur träumen konnten.

Hand aufs Herz – ist der Beirat jetzt eher Pflicht oder Kür?

Wellein: Auch wenn Gremienarbeit meist als Verpflichtung angesehen wird, ist die Mitarbeit in diesem Gremium klar die Kür. Es ist immer Freude und Motivation, etwas gemeinsam mit Partner:innen aus verschiedenen Fachrichtungen voranzubringen.                                             

Dech: Ganz klar Kür! Wenn ich den Beirat als Pflichtveranstaltung begreifen würde, wäre ich am falschen Platz. Als Beirat will ich einen Beitrag leisten, die Zukunft des LRZ mitzugestalten. Wenn es uns gelingt, spannende Ideen anzuschieben und umzusetzen, dann ist die Zeit gut investiert. Natürlich muss es auch Spaß machen, aber da bin ich sehr optimistisch.




Was bringen Sie an Erfahrungen oder Kontakten ein?

Wellein: Ich selbst bin seit vielen Jahren im bayerischen Netzwerk für Höchstleistungsrechnen KONWIHR aktiv und für das neue Zentrum nationales Hochleistungsrechnen in Erlangen verantwortlich. Damit sehe ich mich sowohl als Brücke zu den bayrischen Wissenschaftler:innen als auch zu den Zentren an deutschen Universitäten, die das Angebot des LRZ im HPC in der Breite abdecken.

Dech: Mein Netzwerk in der nationalen und europäischen Erdbeobachtung sowie zur geowissenschaftlichen Forschungslandschaft, zu vielen bayerischen und deutschen Behörden und Ministerien, zur Helmholtz-Gesellschaft, zur ESA und natürlich zum DLR mit seiner enormen Bandbreite an Forschungsprojekten.       

Was treibt Sie an?

Wellein: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Einzelteile. Sachen gemeinsam voranzubringen, so dass Neues entsteht.                                                                                              





Dech: Eindeutig: zu gestalten. Dinge zu erschaffen mit Hebelwirkung, die noch nicht möglich waren und die langfristig Wirkung zeigen. Dazu muss man zum richtigen Zeitpunkt eine gute Idee in der Schublade haben. Die Fernerkundung erlebt gerade ihr goldenes Zeitalter. Wir bekommen kostenlos Daten in Qualität und Menge, wie wir uns das vor wenigen Jahren nicht erträumen konnten. Daraus ergeben sich nahezu unbegrenzte Analysemöglichkeiten, und mit den Methoden der Künstlichen Intelligenz auch noch neue Auswertungsmöglichkeiten. Das ist ein spannender Umbruch. Für uns hat eine neue Zeitrechnung begonnen, das müssen wir jetzt nutzen!

Hochperformante Datenplattform, KI-Aufgaben und auch Quantumcomputing, dazu digitales Studium:
Viele Aufgaben für das LRZ – haben Sie einen spontanen Rat für uns parat?

Wellein: Die Themenfelder zeigen deutlich, dass „Rechenzentren“ heute nicht mehr auf Beschaffung und Betrieb reduziert werden können. Im Gegenteil – sie sind aktiver Partner der Wissenschaft und können technologische Entwicklungen für die Forschenden vorantreiben. Das LRZ hat dies früh erkannt und ist auf einem guten Weg. Der Austausch mit dem Beirat ist sicher sehr hilfreich ist, um diesen Weg erfolgreich weiter zu beschreiten.            

Dech: Das wäre vermessen. Aber wenn ein Ziel klar formuliert ist, so dass es aus dem täglichen Aufgabenwirrwarr herausleuchtet, findet sich meist auch ein Weg zur Realisierung. Für mich heißt das, mit den Möglichkeiten der Fernerkundung etwas zum Erhalt des Planeten Erde und der Menschen beizutragen. Diese Faszination will ich ins LRZ tragen, um gemeinsam noch mehr zu bewegen.

wellein

Prof. Dr. Gerhard wellein, FAU

Dech

Prof. Dr. Stefan Dech, DLR