Pressemitteilung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften

Presse-Information

Jetzt noch effizienter:

Hochleistungsrechnen am Leibniz-Rechenzentrum

Das Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) der Bayerischen Akademie der Wissenschaften betreibt seit Donnerstag, dem 13. August 1998, nun auch offiziell den neuen bayerischen Landeshochleistungsrechner. Er wurde heute im Rahmen eines Festaktes im LRZ durch einen gemeinsamen Knopfdruck von Bundesforschungsminister Dr. Jürgen Rüttgers und dem bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Edmund Stoiber feierlich eingeweiht.

Die wirklichkeitsnahe Simulation und Modellierung von Vorgängen in der Natur und Technik erfordert immer mehr den Einsatz von Hochleistungsrechnersystemen, da viele Probleme mit den heute handelsüblichen Workstations nicht zu lösen sind. Der Einsatz von Hochleistungsrechnern stellt sich immer mehr als Alternative zu zeitraubenden und teueren Experimenten und Prototypentwicklungen dar. In allen technisch-wissenschaftlichen Disziplinen sind extrem leistungsfähige Rechner heute Voraussetzung für eine Forschung, die mit der internationalen Entwicklung Schritt halten kann.

Das Leibniz-Rechenzentrum stellt als gemeinsames Rechenzentrum der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Technischen Universität München, der Bayerischen Akademie der Wissenschaften sowie als Hochleistungsrechenzentrum für Bayern seinen Nutzern Hoch- leistungssysteme unterschiedlicher Bauart bereit. Diese Rechner sind über ein Hochgeschwindigkeitsnetz miteinander verbunden und können über dieses Netz auf große Archivierungs- und Backupsysteme zugreifen.

Flaggschiff der Hochleistungsrechner am LRZ ist die Fujitsu VPP700 mit 52 Prozessoren, die am 13. August offiziell eingeweiht wurde. Der Vertrieb des Rechners erfolgt in Deutschland durch die Firma Siemens. Der Rechner hat eine Spitzenrechenleistung von 115 Milliarden Rechenoperationen pro Sekunde (115 Gflop/s = 115 Giga Floating Point Operations per Second). Insgesamt stehen den Anwendern an diesem Rechner 104 GByte Hauptspeicher und 950 GByte an Plattenplatz zur Verfügung. Bei den Prozessoren der VPP700 handelt es sich um sogenannte Vektorprozessoren. Diese können aufeinanderfolgende gleichartige Rechenoperationen mit hoher Effizienz ausführen, und auch der Datenzugriff auf den Hauptspeicher erfolgt mit hoher Geschwindigkeit. Die Prozessoren sind über ein konfliktfreies internes Netzwerk miteinander verbunden. Da jeder Prozessor einen eigenen Speicher besitzt, muß der Programmierer mit Hilfe spezieller Bibliotheken dafür sorgen, daß Nachrichten und Daten zwischen den einzelnen Prozessoren ausgetauscht werden.

Ebenfalls ein Hochleistungsrechner mit verteiltem Speicher ist die IBM SP2. Diese Maschine besteht am LRZ aus 77 Prozessoren, wie sie in modernen Workstations zu finden sind. Die Gesamtleistung dieser Maschine liegt bei 21 Milliarden Rechenoperationen pro Sekunde, an Hauptspeicher stehen 17 Gbyte zur Verfügung. Die CRAY T90 mit vier Prozessoren ist dagegen ein Rechner mit gemeinsamem Hauptspeicher. Hier muß sich der Anwender nicht explizit um den Datenaustausch zwischen den Prozessoren kümmern. Die Spitzenrechenleistung liegt bei 7 Mrd. Rechenoperationen pro Sekunde.

Mit dem Übergang zu Parallelrechnern am Leibniz-Rechenzentrum war in den vergangenen Jahren ein nahezu exponentielles Wachstum der Rechenleistung und des verfügbaren Speichers zu verzeichnen. Die Rechenleistung, die das LRZ seinen Kunden anbieten konnte, hat sich alle drei Jahre verzehnfacht. In der jetzigen Ausbaustufe zählt die VPP700 zu den 40 schnellsten Rechnern der Welt und zu den 15 schnellsten Rechnern in Europa.

Einige der Anwendungen, die auf den Hochleistungsrechnern des LRZ bearbeitet werden, seien hier beispielhaft genannt:

  • in der Fluiddynamik die Simulation turbulenter Strömungen, von Verbrennungsprozessen und Mischungsvorgängen
  • in der Chemie die Quantenchemie großer Moleküle, die Aufklärung der Struktur und Funktion von Proteinen
  • in der Physik die Berechnung und Simulation von Halb- und Supraleitermaterialien und Metalloberflächen, die Quantenelektrodynamik, sowie die Modellierung von Phasenübergängen
  • in den Ingenieur- und Materialwissenschaften die Verformungs- und Spannungsanalyse, die Berechnung von Wärmeleitungsvorgängen sowie die Berechnung von Druckbehältern und Rohrleitungen
  • in der Elementarteilchen- und Astrophysik die Berechnung der Eigenschaften von Elementarteilchen und die Berechnung von Sternatmosphären
  • in der Meteorologie die Modellierung von regionalen Klimavorgängen im Bereich der Alpen
  • in der Medizin die Modellierung von künstlichen Herzklappen und Hüftgelenken.

Das "Bayerische Hochleistungsrechnerkonzept" sieht nicht nur vor, zentral Hochleistungsrechner zu betreiben, sondern es wurden auch dezentral kleinere, kompatible Entwicklungsrechner an den Universitäten Augsburg, Bayreuth, Erlangen, Regensburg und Würzburg installiert. Dieses in der Bundesrepublik in dieser Breite einmalige Konzept hat sich bewährt und ist von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Wissenschaftsrat anerkannt. Eingebettet in ein landesweit verteiltes virtuelles Kompetenzzentrum entsteht so ein breitgestreutes Know-how über die Nutzung und den Betrieb von Hochleistungssystemen.

Der Bedarf an Höchstleistungsrechenkapazität wird auch in den nächsten Jahren weiter ansteigen. Eine Studie des Leibniz-Rechenzentrums hat ergeben, daß selbst eine zehnfach stärkere Rechenanlage, d.h. ein Rechner mit etwa 1 Billion Rechenoperationen pro Sekunde (1 Tflop/s), durch bereits jetzt geplante Forschungsprojekte mehrere Jahre ausgelastet werden würde. Das LRZ plant die Beschaffung eines solchen "TeraFlops-Rechners". Das Leibniz-Rechenzentrum der Bayerischen Akademie der Wissenschaften soll hierzu im Rahmen der "Offensive Zukunft Bayern" zu einem bundesweiten Höchstleistungsrechenzentrum ausgebaut werden. Der Freistaat Bayern hat hierfür erhebliche Mittel reserviert. Der künftige Höchstleistungsrechner soll von allen deutschen Hochschulen und auch der Industrie genutzt werden können. Trotz der enormen Rechenleistung wäre ein solcher Rechner gegenüber Höchstleistungsrechnerprojekten in anderen hochindustrialisierten Staaten noch vergleichsweise moderat. Im Jahre 2000 soll in den USA ein 10 Tflop/s-Rechner und im Jahr 2002 in Japan ein 32 Tflop/s-Rechner installiert werden.

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