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LRZ-Gebäude und grüne Wiese. Foto: V. Hohenegger | LRZ

„Bewusstsein für Nachhaltigkeit aufbauen"

Technologie:Einblicke ins LRZ Forschungsbereich:Energieeffizienz

Neben dem Einsatz von Strom aus erneuerbaren Quellen und dem Management der Auslastung von Supercomputern, will das LRZ noch mehr für den Umweltschutz tun: Seit gut einem Jahr bereiten zwei Beauftragte für Umweltmanagement eine Begutachtung nach der EMAS-Verordnung vor.

Der Einsatz von Strom aus erneuerbaren Quellen, Photovoltaik auf dem Dach, Elektroautos in der Fahrzeugflotte und ein durchdachtes Energiemanagement für den Betrieb von Hochleistungscomputern, KI-Clustern, Speichern und Netzen, die Optimierung von Abfall und Entsorgung von Altgeräten, der sparsame Einsatz von Wasser: Der ökologische Fußabdruck, den das Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) hinterlässt, soll schrumpfen. Dieses Ziel geht das LRZ jetzt systematisch an: Aus vereinzelten Maßnahmen soll eine einheitliche Strategie wachsen. Seit gut einem Jahr werden daher in vielen Bereichen Informationen und Kennzahlen gesammelt, werden neue Messgeräte installiert und Prozesse überdacht. Hilfestellung und Orientierung bei der Planung von Organisation und Strategien bietet das Europäische Eco-Management und Audit-Schema (EMAS) und seine anspruchsvollen Forderungen an die Abläufe im Unternehmen sowie deren Dokumentation: Verantwortlich für die Einführung des Umweltmanagements nach EMAS sind Sophia Kranz und Hiren Gandhi, sie koordinieren auch die Arbeiten an der ersten Umwelterklärung. Diese wird bald veröffentlicht – und zu einer weiteren Zertifizierung des LRZ führen: ein Interview über Nachhaltigkeit im Alltag.

Ihr seid die beiden Umweltbeauftragten des LRZ: Wie seid ihr ans LRZ gekommen?
Sophia Kranz: Vor meinem Start am LRZ habe ich meinen Master an der Ludwig-Maximilians-Universität München im Studiengang Umweltsysteme und Nachhaltigkeit abgeschlossen. Als Studentin nutzte ich natürlich LRZ-Dienste und lernte das Rechenzentrum außerdem bei einer Exkursion im Rahmen meines Geographie-Bachelors kennen. Die Computersysteme und die dafür notwendige Infrastruktur in diesem Labyrinth-artigen Rechnergebäude haben mich definitiv beeindruckt; auch solche Projekte wie ClimEx, das die Auswirkungen des Klimawandels auf meteorologische Extremereignisse in Bayern untersucht und an den Ressourcen des LRZ simuliert sowie in Virtual Reality visualisiert wurde. Nach dem Master wollte ich in der Forschung bleiben oder im Bereich Umwelt- und Naturschutz arbeiten, die Stelle als Umweltmanagementbeauftragte am LRZ bot mir die Chance, beides zu verbinden: Ich arbeite für ein Institut, das Dienste ausschließlich für die Forschung anbietet, und ich kann hier beitragen, den Betrieb eines Rechenzentrums nachhaltiger zu gestalten.
Dr. Hiren Gandhi: Ich habe Umweltverfahrenstechnik studiert, an der Technischen Universität Clausthal promoviert und mich danach in Unternehmen mit Anlagenbau, Wärmeübertragung und Energieeffizienz beschäftigt. Aus familiären Gründen suchte ich eine Stelle in München, die Aussicht, am LRZ einerseits ein Umweltmanagementsystem einführen und mich außerdem noch um die Optimierung von Kühlungsanlagen und Gebäudetechnik kümmern zu können, hat mich hierher gebracht.

Seit gut einem Jahr bereitet ihr das Umweltmanagement nach EMAS des LRZ vor: Warum dauert das so lange?
Hiren: Weil dazu eine ganze Menge Überlegungen und Vorbereitungen notwendig sind. Zuerst haben wir systematisch erfasst, wie sich die Aktivitäten des LRZ auf die Umwelt auswirken – also vom Energie- und Wasserverbrauch über Abfallaufkommen bis hin zu Emissionen und weiteren Effekten. Dafür sammelten wir Daten, installierten neue Messsysteme, um überhaupt Maßnahmen zum Umweltschutz identifizieren zu können. Parallel dazu haben wir uns durch rechtliche und normative Forderungen geackert – es geht ja beim Umweltmanagement auch darum, Gesetze umzusetzen oder Regeln, etwa die der EMAS-Verordnung einzuhalten.
Sophia: Vor allem haben wir viel mit Kolleg:innen und Führungskräften diskutiert, weil die Einführung des Umweltmanagements bedeutet, bestehende Prozesse anzupassen, neu einzuführen und vor allem Bewusstsein für Nachhaltigkeit aufzubauen. Und dafür muss wiederum auch geklärt werden, wie wir als Organisation nachhaltiger werden wollen. Das legt nun die Umweltleitlinie des LRZ fest, die Anfang 2025 entstand. Nicht zuletzt haben wir in Schulungen Kolleginnen auf das EMAS-System sowie die Umwelterklärung vorbereitet, die hoffentlich bald veröffentlicht werden kann. Um darin die Leistung des LRZ transparent dokumentieren zu können, brauchten wir die Unterstützung Vieler, um aktuelle Kennzahlen zusammenzutragen, erste Ziele zu definieren und Fortschritte nachzuweisen.

Aus der Nachhaltigkeitsperspektive betrachtet: Was sind die größten Herausforderungen für ein Rechenzentrum?
Sophia: Die liegen eindeutig im Bereich Energie und Ressourcen. Rechenzentren halten Server, Speicher und Netze rund um die Uhr vor, besonders Hochleistungsrechner und KI-Systeme benötigen sehr viel Strom. Eine zentrale Herausforderung ist, die Energieeffizienz zu steigern und die Computer möglichst mit erneuerbaren Energien zu betreiben. Darüber hinaus versiegeln Rechenzentren Flächen – Hochleistungssysteme und ihre Infrastruktur benötigen viel Platz.
Hiren: Diese müssen außerdem gekühlt werden, und je nach Technologie wird dafür zusätzlich sehr viel Energie benötigt. Nicht zu vergessen ist der Wasserverbrauch, der je nach eingesetzter Kühltechnik hoch ist. Dafür sollte möglichst kein Trinkwasser verwendet werden, und der Verbrauch muss überwacht und möglichst effizient gestaltet werden. Außerdem entstehen beim Betrieb von Hochleistungscomputern große Mengen Abwärme, die sinnvoll genutzt werden sollten.
Sophia: CO₂- und andere Emissionen spielen eine Rolle. Dabei wird der Einsatz von Ökostrom und, wenn möglich, Kompensation wichtig. Weil die Innovationszyklen oft nur drei bis sechs Jahre dauern, tauschen Rechenzentren regelmäßig Hardware aus, die seltene Rohstoffe und kritische Metalle enthält. Neben Recycling stellt sich die Frage, wie Technik länger genutzt werden kann.

Wie schlägt sich das LRZ in den Disziplinen Umweltschutz oder Nachhaltigkeit?
Hiren: Das LRZ setzt bereits auf eine Reihe von Maßnahmen, um seinen ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Es bezieht seinen Strom aus erneuerbaren Quellen und hat eine Photovoltaikanlage installiert. Unsere Hochleistungscomputer werden mit Warmwasser gekühlt, das ist eine energieeffiziente Lösung, durch die wir das eingesetzte Wasser fast das ganze Jahr über die Außentemperatur kühlen können. Mit einem Teil der Abwärme heizen wir die Bürogebäude, demnächst nutzt die Technische Universität unsere Abwärme für die Heizung und Kühlung ihrer Gebäude. Und beim Wasserverbrauch setzen wir auf geschlossene Kühlkreisläufe, um Ressourcen zu schonen.
Sophia: Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das ganzheitliche Energiemanagement am LRZ. Viele Sensoren nehmen Energieflüsse auf, damit die Lastverteilung optimiert werden kann. Viele Server sind virtualisiert, um die Gesamteffizienz zu steigern. Sicher geht noch viel mehr und in weiteren Bereichen – mit der Einführung des Umweltmanagements wollen wir die Nachhaltigkeit des LRZ systematisch weiterentwickeln und starten dabei in den Bereichen in denen unsere Tätigkeiten sehr stark auf die Umwelt einwirken.

Was hat euch am meisten überrascht bei der Sammlung und Dokumentation der Umweltdaten?
Hiren: Was die Datenqualität betrifft, bekamen wir einen klaren Überblick darüber, welche Energie ins System fließt und wo die Hauptverbraucher liegen. Überraschungen gab es hier kaum. Spannend wird es aber, wenn man die Zahlen in Relation setzt: 2024 hat das LRZ rund 40,5 Millionen Kilowatt-Stunden Strom verbraucht. Mit dieser Menge könnte man über 11.500 Einfamilienhäuser ein Jahr lang versorgen. Das zeigt, warum Energieeffizienz bei uns eine zentrale Rolle spielt, zumal der Bedarf weiter steigen wird.
Sophia: Überraschungen ergaben sich in Bereichen, die wir erstmals detailliert erfasst haben – etwa Abfallströme oder eingesetzte Materialien. Interessant zu sehen, wie viel Papier oder Restmüll im LRZ anfällt oder auch gefährliche Stoffe. All diese Daten zusammenzutragen, hat uns ein präziseres Bild vermittelt, wo und wie sich das LRZ auf die Umwelt auswirken. Jetzt können wir Verbesserungen gezielt angehen.

Wie geht es nach der ersten Begutachtung weiter?
Hiren: EMAS verlangt nach einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Nach dem Audit ist also vor dem Audit, die Arbeit wird nicht aufhören. Regelmäßige interne Audits werden uns zeigen, ob das Umweltmanagementsystem funktioniert und wo wir Schutzmaßnahmen verbessern können. Nach der Erstvalidierung finden noch zwei Überwachungsaudits statt, nach drei Jahren wird unser Managementsystem wieder komplett begutachtet. Diese Transparenz ist ein Kernprinzip von EMAS, außerdem müssen wir uns an neue rechtliche Forderungen anpassen.
Sophia: Schulung und Kommunikation sind dabei entscheidend. Wenn wir Kolleginnen für mehr Nachhaltigkeit sensibilisieren können und über praktische Lösungen informieren, entsteht vielleicht ein Bewusstsein für Umweltschutz, das auch über die tägliche Arbeit hinaus wirken kann. Und theoretisch muss es hier nicht enden: Wir könnten EMAS um einen Nachhaltigkeitsbericht ergänzen, der zusätzlich soziale und Governance-Aspekte abdeckt. Damit würden wir das Umweltmanagement zu einem ganzheitlichen Nachhaltigkeitsmanagement entwickeln. (Interview: vs | LRZ)